Pavel Tsatsouline, der sowjetische Sportwissenschaftler und ehemaliger Bewegungstrainer für Spezialeinheiten wie den Navy Seals widmet seiner Arbeit die Frage, nach der effektivsten und einfachsten Herangehensweise den menschlichen Körper stark zu machen und verletzungsfrei zu halten. Somit ist es natürlich nicht nur für Soldaten von Bedeutung, sondern eben auch für jeden Menschen, der in einem leistungsfähigen Körper leben möchte.
Laut Pavel ermöglicht seine Art von Training dem Klienten allgemein die Fähigkeit zu erlernen, besser mit seiner Kraft umzugehen, denn: „strenght enables everything else“. Das bedeutet, dass die Grundprinzipien von Krafterzeugung, welche er aufführt, das Fundament einer jeden muskulären Betätigung sind. Das Training anhand dieser Prinzipien ermöglicht dem Klienten, die Fähigkeit zu erlernen ´allgemein´ besser mit seiner Kraft umzugehen. Dabei ist diese Herangehensweise auf jede Art von Sport und körperlicher Betätigung anwendbar.
Was sind nun genau Pavels Prinzipien?
Anhand der folgenden drei Überbegriffe sollten die Methoden nachvollziehbar erklärt sein:
1) Bauch & Gesäß:
Gemeint ist hiermit, dass die Spannung die zwischen der Bauch- und Gesäßmuskulatur erzeugt wird, nicht nur das gesamte Körperzentrum stabil hält, die Organe und den unteren Rücken schützt, sondern auch direkten Einfluss auf umliegende Muskeln. Somit wird deren Spannung ebenfalls erhöht. Einerseits wird das Kommando zur Muskelkontraktion zwar vom Gehirn ausgesendet. Des Weiteren überträgt sich die Spannung, die in gewissen Körperteilen erzeugt wird auch auf benachbarte Muskeln. Je intensiver der jeweilige Körperteil angespannt wird, desto weitläufiger breitet sich dabei die Kontraktion auf umliegende Muskeln aus, die somit als Support eintreten. Dieses Phänomen der „Irradiation“ (nach Dr. Roger Enoka) wendet Pavel in Bezug auf sein Training speziell auf die Bauchmuskulatur, sowie ebenfalls die Gesäßmuskulatur an, da diese Regionen eine sehr enorme Übertragung auf weitere Muskeln auslösen und starke Unterstützung dienen. Diese Partien also in Kombination zu kontrahieren lässt sich als enorme Kraftsteigerung in jeglichen Übungen anwenden. Als allgemeine „Hollow Body Position“ ist diese Körperhaltung zum Beispiel aus dem Turnen bekannt. Pavel benutzt diese Methode jedoch zur Kraftmaximierung im Wesentlichen mittels der Atemtechnik des „power-breathings“ in seinem Krafttraining. Diese Technik wird im zweiten Punkt erläutert.
2) Atmung:
Um das Phänomen der Irradiation auf jedwede Kraftübung, wie zum Beispiel auf das Kreuzheben, Bankdrücken oder einen Bizeps-Curl zu übertragen, unterrichtet Pavel die Methode des ´´power-breathings´´. Dadurch wird im Innenraum des Bauches ein starker Druck durch Kompression der Bauch- und Pomuskeln erzeugt, wobei die Luft scharf durch den Mund ausgestoßen wird. Dabei entsteht ein Geräusch, wenn die Zunge gegen den Oberkiefer gedrückt wird, wodurch ein: ´´tsssss´´ erklingt. Vor jeder Wiederholung soll der Praktizierende also einen tiefen Atemzug durch die Nase in den Bauchraum nehmen, das Becken ein Stück nach vorn kippen, um nicht ins Hohlkreuz zu fallen und über die Dauer des Kraftaufwandes in Kombination mit gespannten Gesäßmuskeln scharf hinter angespanntem Bauch ausatmen. In dieser Position ist man bestmöglich für hohe Belastungen gewappnet, weshalb er sie im Allgemeinen als die „Strong-Posture“ bezeichnet. Hierbei ist zu beachten, dass Blutdruck und Herzschlag temporär in die Höhe gehen, weshalb der Anwender nach dem Einnehmen der „Strong-Posture“ ein paar Schritte gehen und die Muskeln leicht ausschütteln sollte, um sich zu lockern und zu regenerieren.
Pavel verbildlicht diese Kompression des Bauchraumes anhand folgender Metapher: Der Praktizierende soll sich sein Gehirn als ein Wiedergabe-Gerät für Musik vorstellen, die Muskeln seines Körpers sind Lautsprecher und der Druck, der innerhalb des Bauches erzeugt wird, stellt den Lautstärke-Regler dar. Welche Art Musik auch immer im Gehirn gespielt wird (ob Tennis, Fußball oder Kickboxing), die Spannungsintensität im Bauch regelt laut Pavel das Kraftvolumen und die Atemtechnik in Verbindung mit dem Kraftaufwand, ist eine leicht anzuwendende Methode dies zu üben.
Des Weiteren lässt sich in Pavels veröffentlichten Arbeiten auch eine beachtliche Menge an Entspannungs- und Dehnungstechniken finden. Diese bauen ebenfalls auf der Grundlage des Bauchdrucks auf. Im Umkehrschluss begünstigt minimale Anspannung des Bauchinnendrucks Entspannung und Flexibilität, indem anstelle von aktiver Kompression mit scharfem Ausatmen, eine passive Ausatmung ausgeübt wird. Nachdem hierfür ein tiefer Atemzug genommen wurde, soll nun die Luft passiv allein vom Druck der Bauchwand heraus gelassen werden. Im Sinne der Metapher würde nun eher sanfte Musik anstelle von Heavy-Metal gespielt werden.
3) Training als Lernprozess:
Ein wichtiger Aspekt hierbei ist, dass Kraft nicht das bloße Resultat von ständigem Gewichtheben in Form von aufgepumpten Muskeln ist. Vielmehr ist es der Prozess, in dem die Fähigkeit erlernt werden soll, maximale Muskelspannung kontrolliert erzeugen zu können. Darüber hinaus geht es um die Prinzipien, die diesem Skill zugrunde liegen.
In die Prinzipien haben wir nun einen Einblick genommen. So einfach es jedoch scheinen mag, Spannung auf die eben genannte Art aufzubauen, ist es dennoch alles andere als leicht anzuwenden und muss regelmäßig geübt werden.
Hier ist nun ein weiteres wichtiges Prinzip der Vorgehensweise und Trainingsplanung von Bedeutung:
Das „3 bis 5“ Prinzip:
Damit meint Pavel, nicht mehr als 3 bis 5 Wiederholungen, bei 3 bis 5 Sätzen mit 3 bis 5 Minuten Pause zwischen den Sätzen zu tätigen. So wird am effektivsten an der reinen Fähigkeit, Kraft zu erzeugen, gearbeitet. Sobald nämlich eine starke Ermüdung eintritt, kann nicht mehr qualitativ an der Kraft gearbeitet werden.
Für viele Athleten mag das vollkommen sinnlos klingen. Pavel widerlegt die Kritik an dieser Methode jedoch damit, dass die Fähigkeit der Kraft nicht mit der von Ausdauer oder Hypertrophie verwechselt werden sollte. Jede dieser Fähigkeiten erfordert spezifische Trainingsreize und um zu lernen maximale Kraft zu erzeugen, erfordert es nicht mehr als 3 bis 5 Wiederholung pro 3 bis 5 Sätzen mit den 3 bis 5 Minuten Pause dazwischen.
Wieso ergibt dieses Prinzip Sinn?
Pavel stützt sein Konzept auf Studien, die zeigen, dass gewisse Vorgänge im Körper (bspw. Erholung vom Kreatin-Haushalt, Ausgleich des Säure-Levels & um das Nervensystem nicht zu überlasten) eine Pause von mindestens drei Minuten benötigen, um vollständig zu regenerieren.
Denn um eine Übung so kraftvoll, wie möglich auszuführen, darf das System nicht überlastet sein. Somit wird verhindert, dass der Körper dann in einer Form kompensiert, die in jedem Fall hinderlich für eine optimale Krafterzeugung und eine gründliche Ausführung ist. Sobald die Qualität der Ausführung nämlich nachlässt, neigt der Körper dazu, in seiner stabilen und sicheren Haltung einzubrechen und die Last auf falsche Muskeln zu übertragen. Hierdurch kommt es z.B. häufig zu einer Rundung im Körper. Daraus folgend geht die kräftige Rumpfkompression verloren, an der wir schließlich vorrangig arbeiten wollen. Noch entschiedender ist aber, dass der Athlet uns einem deutlich höherem Verletzungsrisiko aussetzt. Da wir die Fähigkeit Kraft zu entwickeln nicht zuletzt erlernen möchten, um die Anfälligkeit für Verletzungen im Allgemeinen zu minimieren, steht die Qualität der Ausführung im Vordergrung.
Fazit:
Pavels Prinzipien sind wahrlich ein universelles Instrument um den Gebrauch des eigenen Körpers mittels Spannung, Fokus und Atmung auf jedwede Belastung anzupassen. Was uns im Noch3 an seiner Methode besonders fasziniert, ist die Herangehensweise und Philosophie des Mannes. Der bekennende Minimalist schafft es nämlich die kompliziertesten Methoden und Prozesse des Krafttrainings in eine überschaubare Form herunterzubrechen. Mit den essenziellen Leitsätzen schafft er ein Fundament für ein Training, welches die körperliche Leistung im Allgemeinen verbessern soll. Darüber hinaus macht dieser Ansatz jeden Trainierenden sowohl für seinen individuellen Sport fit und belastbar und lässt dabei die alltäglichen Widerstände müheloser bewältigen.