Während Ihr zu Hause in Quarantäne sitzt und denkt „Was mach ich denn jetzt, wo ich keinen Zugang mehr zu schweren Gewichten hab? Mein 45er Oberarmumfang geht bestimmt ratzfatz verloren und mein V-Kreuz bin ich nach der Quarantäne bestimmt auch los.“, sitze ich am Rechner und fasse mal alles zusammen, was ich zum Thema „Hypertrophie“ also Gewebevergrößerung, in diesem Falle Muskelgewebe, weiß. Ich begründe, warum Du nicht zwingend Zugang zu Gewichten brauchst, erkläre, welche Mechanismen hinter dem Muskelwachstum stecken, wie Du diese Mechanismen triggerst und was Du zusätzlich berücksichtigen solltest, um den Effekt zu maximieren.
Muskelaufbau nur durch Gewichte?
Ich kann Euch beruhigen, denn wenn Ihr denkt, fette Muskeln bekommt man nur durch schwere Gewichte, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Der Schlüsselfaktor beim Handling von externen Gewichten, ist der Widerstand, welchen Ihr überwinden müsst (diesen Satz bitte mehrmals lesen!). Demnach geht es in erster Linie um den Widerstand, der durch das externe Gewicht entsteht und nicht um das Gewicht an sich. Dies ist der Grund, weshalb auch von Widerstandstraining (engl. Resistancetraining) gesprochen wird. Projizieren wir das auf die aktuelle Situation, also #kevinalleinzuhausinquarantäne, dann bedeutet das, wir kommen auch ohne schwere Gewichte, alleine mit Liegestützen und Klimmzügen klar, vorausgesetzt, bestimmte Faktoren werden berücksichtigt.
Wie werden Muskeln aufgebaut?
Mittlerweile geht man davon aus, dass mehrere Mechanismen am Muskelwachstum beteiligt sind. Die am besten untersuchten Hypothesen erklären Muskelwachstum durch Mikroschäden im Muskel, mechanische Spannung während der Kontraktion (Anspannung) und metabolische Stressoren und werden im Folgenden erklärt. Am bekanntesten ist wahrscheinlich der Mechanismus, des Mikroschadens an der Muskelzellen bekannt. Biomechanisch teilt man eine einzelne Muskelkontraktion in verschiedene Phasen ein. Es lassen sich eine Beschleunigungs-, eine statische und eine Abbremsphase unterscheiden. Auch als Konzentrik, Isometrie und Exzentrik bekannt. Durch den während der exzentrischen Muskelkontraktion, also der Abbremsphase, zu überwindenden Widerstand, können sich im Muskelgewebe (Und Sehnengewebe) mikroskopische Risse bilden, welche zu einer lokalen Entzündungsreaktion führen. Im Rahmen dieser Entzündungsreaktion wandern große Fresszellen (Makrophagen) zum Muskel und schütten dort Stoffe aus, welche die Vermehrung von sog. Satellitenzellen fördern. Diese Satellitenzellen spenden wiederum ihren Zellkern an die verletzte Muskelzelle, welcher dazu verwendet wird, kontraktile Proteine zu bilden.
Was benötigt unser Körper zum Muskelaufbau?
Ein weiterer Mechanismus steckt hinter der mechanischen Spannung, welche während der Muskelkontraktion im Muskel herrscht. Das Calcium wichtig für stabile Knochen ist, weiß wahrscheinlich jeder, doch dass es auch im Muskel gebraucht wird, ist weniger weit verbreitet. Zum einen wird es für die Kontraktion selbst benötigt, zum anderen bindet es an ein Protein namens “Calmodulin“. Calmodulin ist unter anderem dafür zuständig, das Enzym “Akt„ zu aktivieren, welches wiederum das, für Muskelwachstum unabdingbare Protein „mTOR“ stimuliert. mTOR kann bei vorhandener Muskelspannung jedoch auch über einen weiteren Weg aktiviert werden. Hierzu muss ein Protein namens Titin mit genügend mechanischer Spannung belastet werden, damit Proteine zum Kern der Muskelzelle wandern, welche wiederum mTOR aktivieren. Weiterhin führen Stoffwechselprodukte, welche während des Widerstandstrainings anfallen, zu einer Freisetzung von „IGF-1“, was ebenfalls zu einer Aktivierung des Akt-mTOR Mechanismus führt. Hierzu zählen unter anderem Laktat, Phosphat-Ionen, und Wasserstoff-Ionen.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass besonders Mikrorisse an der Muskelzelle, die anhaltende Spannung während der Muskelkontraktion sowie Stoffwechselprodukte eine besondere Rolle beim Wachstum von Muskelgewebe spielen.
Wie werden die Mechanismen zum Muskelaufbau angestoßen?
Um diese Mechanismen zu triggern bedarf es dementsprechend allerdings der Einhaltung bestimmter Richtwerte. Diese Richtwerte beschreiben sowohl Intensität / Ausbelastung während des Trainings, das wöchentliche Volumen als auch die Frequenz, also die Anzahl an Trainingseinheiten pro Woche. Damit Dein Training zu einer maximalen Stimulation des Muskelwachstums führt, ist es wichtig, dass Du jeden Satz bis zum willkürlichen Versagen der Muskelkontraktion ausführst. Was bedeutet das genau? Wenn ich, sagen wir, einen Satz Liegestützen mache, dann muss ich so viele Wiederholungen machen, bis ich mich ABSOLUT nicht mehr hochdrücken kann. Lässt Du noch zwei oder drei Wiederholungen im “Tank“, verschwendest Du Potenzial. Die gesamte Wiederholungszahl ist dabei letztendlich gar nicht mehr so wichtig, wenn es rein um Muskelwachstum geht. So konnten Schoenfeld et al. (2018) feststellen, dass sowohl Wiederholungszahlen von 8 bis 12, 15-20 sowie 25-35 alle zu einer Hypertrophie der Muskulatur führten, solange der jeweilige Satz bis zum momentanen muskulären Versagen ausgeführt wird. Achtet darauf, dass Ihr zwischen den Sätzen mindestens 60 Sekunden Pause einhaltet. Keep in Mind: Technique over everything!
Muskelaufbau und Trainingsvolumen – Was ist zu beachten?
Stichwort Volumen: „Okay, reicht dann ein einziger Satz pro Muskelgruppe bis zum Versagen aus, um Hypertrophie zu stimulieren?“. Die Antwort lautet ja, allerdings zeigt sich vor allem bei fortgeschrittenen Trainierenden (>1 Jahr Trainingserfahrung) eine Tendenz hinsichtlich mehrerer Sätze pro Woche um Muskelwachstum zu maximieren. Dies ging sogar so weit, dass ein positiver Trend, also eine steigende Effektstärke (Hypertrophie) bei bis zu 45 Sätzen pro Muskelgruppe pro Woche beobachtet werden konnte (Schoenfeld). Als Richtwert empfiehlt Schoenfeld (ohne Berücksichtigung der vorherigen Trainingserfahrung) allerdings etwa neun Sätze pro Muskelgruppe pro Woche (2016).
Wenn Ihr also die nötige Zeit zum Trainieren und Bock habt, Muskelmasse aufzubauen, könnt Ihr getrost mehrere Sätze zum Muskelversagen machen.
Da ein einzelnes Training mit neun bis 45 Sätzen pro Muskelgruppe recht lang werden kann, wenn mehrere Übungen geplant sind, empfiehlt es sich, die Sätze pro Muskelgruppe auf zwei bis drei Trainingstage pro Woche zu verteilen. Zum Beispiel bietet sich an, an Trainingstag A drei-vier Sätze zu machen, an Trainingstag B erneut drei-vier Sätze und an Trainingstag C ebenfalls drei-vier.
Fazit zum Muskelaufbau
Takehome Message: Trainiere bis zum muskulären Versagen, halte Dich an > 60 Sekunden Pausenzeiten, mach circa (bzw. mehr als) neun Sätze pro Muskelgruppe pro Woche.
Natürlich ist es mit dem Training alleine nicht getan, da es sich hierbei um einen Prozess handelt, der Gewebe „schädigt“ und somit zu den sog. katabolen Prozessen zählt. Um allerdings Gewebe und somit natürlich auch Muskelgewebe aufzubauen, muss ein sog. anaboler Prozess stattfinden und wie es der Zufall so will zählen hierzu Ruhe und Nahrung. Also konkret, optimalerweise eine Schlafquantität von >8 Stunden und eine tägliche Protein-(Eiweiß-)zufuhr von 1,6g-2g pro Kilogramm Körpergewicht. Bei mir wären das circa 200g Eiweiß täglich.
Werden diese Faktoren, also adäquates Training mit anschließender adäquater Regeneration berücksichtigt, steht Euch nichts im Weg auch in der Zeit ohne verfügbare Gewichte Muskelmasse aufzubauen.
Muskelaufbau im Noch3
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